Nicken und Lächeln

Ich möchte in meinem Blog Ausdrücke wie „Der Inder“ vermeiden, weil dieser Ausdruck der Vielfältigkeit an Charakteren auf diesem schönen Subkontinent nicht gerecht werden würde. Aber ich habe das Gefühl, dass sich in Indien ein bestimmtes Kulturelement durchgesetzt hat, dass alle Inder vereint. „Der gemeine Inder“ hat nämlich eine sehr interessante Beziehung zum Thema Zeit. Denn wenn „der Inder an sich“ sagt, dass man sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort treffen wolle, dann steht „der Deutsche“ mit seinen sehr strikten Zeitvorstellungen erst einmal eine ganze Weile alleine in der Gegend herum. „Der normale Deutsche“ versteht unter 9:30Uhr nämlich, dass er in dem Zeitfenster zwischen 9:28Uhr und 9:31Uhr an Ort und Stelle zu sein hat. „Das indische Wesen“ würde 9:30Uhr jedoch in den geräumigen Zeitkorridor zwischen 9:50Uhr und 12:30Uhr einordnen. Auch wenn „der Inder“ dann um 13:20Uhr endlich zum Treffen erscheint, bleibt „dem Deutschen“ nur noch die Möglichkeit dies mit einem Nicken und einem Lächeln zu quittieren.
„Ja, die deutsche Pünktlichkeit ist schon ganz nett“, habe ich heute in einem Chat gelesen. Und ja! Ich bin gerne pünktlich und würde meinen Tag auch gerne verlässlich planen. Aber die indische Zeitdefinition ist auch „ganz nett“. Man wird relativ schnell entspannter und man bewertet auch nicht mehr alles nach seiner Effektivität. Und auf jeden Fall lebt man so viel stressfreier und dadurch auch gesünder.
Und auch unser Essen ist hauptsächlich gesund und steht auch immer recht pünktlich auf dem Tisch. Nohendru, unser Koch und der Hausmeister von JELC, zaubert uns jeden Mittag „Bhato“ (Reis) mit „Dhal“ (Linsensoße) und reicht uns dazu täglich eine verschiedene Sorte „Curry“ (Gemüse). Curry steht in Indien nämlich nicht für das Gewürz, sondern für verschiedenste Gemüsekombinationen. Das Anrichten von „Dhal“, „Bhato“ und „Curry“ folgt keinen bestimmten Regeln sieht aber für einen kurzen Moment so aus wie auf dem folgenden Foto. Denn kurz danach wird das Essen mit der rechten Hand zusammen „gematscht“ und danach mit vier Fingern zu einem kleinen Reisklumpen auf die Hand geschaufelt, während der Daumen dieses recht scharfe Essen dann in den Mund schiebt. Ich hoffe, man kann diesen schon alltäglich gewordenen Kunstgriff auf dem Foto bewundern. Das Essen schmeckt wirklich gut und Nohendru lächelt immer verlegen und nickt bescheiden, wenn wir ihm unsere Begeisterung über das Essen mitteilen.Bhato, Dhal und Curry - Der Klassiker

Essen mit der rechten Hand

Weil wir in den letzten Tagen auch relativ viel Freizeit hatten, haben wir uns gerne zu unserem Koch in die Küche gesetzt und versucht, ein wenig Oriya zu lernen. Da Nohendru nur sehr wenig Englisch beherrscht und unsere Oriya-Kenntnisse stark begrenzt sind, wurde natürlich auch hier viel gelächelt und genickt, auch wenn wir wahrscheinlich häufig aneinander vorbei geredet haben. Und auch wenn wir ihm häufig unsere Hilfe angeboten haben, wurden wir bisher leider noch nicht in die indischen Kochkünste eingeweiht. Immerhin dürfen wir aber mittlerweile schon unser morgendliches Toast selber toasten.
Ob ich ab nächsten Dienstag ähnlich gutes Essen genießen kann, wird sich zeigen. Dann werde ich nämlich Richtung Nabarangpur aufbrechen, wo ich die nächsten drei Monate an der Schule arbeiten werde. Ich freue mich schon, auch wenn ich da mit niemandem mehr deutsch sprechen kann. Vielleicht hilft mir das aber auch, mich noch mehr auf die indische Kultur und die Menschen hier einzulassen.

Unsere Küche

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Ein Gedanke zu „Nicken und Lächeln

  1. Schöner Eintrag! Und die Bilder sind auch super, besonders das, auf dem ihr merkelt 😀

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